MEISTERREGISSEURE UND IHRE KOMPONISTEN: FEDERICO FELLINI & NINO ROTA

Federico Fellini und Roms Cinecittá, das war wohl die letzte große Konkurrenzmacht, mit der Europa den amerikanischen Film herausforderte. Federico Fellini, das waren „kulturpralle, kulturübersättigte, kulturmüde Bilder aus Europa gegen die schnelle action aus den USA“ (Der Spiegel, 45/1993). Sein Oeuvre ist ein verfilmtes Ja zum Leben mit all seinen Facetten: Essen und Trinken, Feiern und italienisches Lebensgefühl, Straßenszenen, Licht und Schatten, ausgelebte Sexualität. Ebenso bejahend, schwungvoll und lustvoll ist die Musik Nino Rotas, die sich stilistisch zwischen Kammermusik und „Zirkusmusik“ bewegt.

Die Filmmusiken, die Nino Rota für die Filme von Federico Fellini komponierte, unterscheiden sich von seinen Beiträgen für die Filme von Francis Ford Coppola (Der Pate, 1972) und Luchino Visconti (Der Leopard, 1963) vor allem in der Instrumentierung. Nino Rota ist ein Meister der rasch wechselnden Klangfarben, die er durch unterschiedliche Orchesterbesetzungen erreicht. Das bislang verlegte Orchestermaterial beruht auf den Materialien, die seinerzeit für die Einspielungen verwendet wurden. Für uns hätte das bedeutet, bei einem Titel acht Klarinetten besetzen zu müssen, bei einem anderen Titel verschiedene Sonderinstrumente, die in der regulären Orchesterbesetzung nicht vorgesehen sind (bspw. Saxophone, Flügelhörner, Orgel, Cembalo, Akkordeon, E-Gitarre), und bei wieder einem anderen Titel hätte nur ein kleines Ensemble gespielt. Leichte Retuschen, d.h. behutsame Anpassungen im Notentext im Sinne Nino Rotas, ermöglichen nun die Aufführung dieser Werke, ohne den ausgeprägten Personalstil des Komponisten zu verwässern und dadurch die Klang- und Bilderwelt der Filme von Federico Fellini zu verfälschen. Da wir uns dem kompositorischen Schaffen Nino Rotas verpflichtet fühlen, verzichten wir nicht auf die verschiedenen Sonderinstrumente, sondern betrachten sie als eine eigene klangliche Bereicherung, eine musikalische Farbe.

An dem Konzertabend verwandeln wir den Konzertsaal in ein Lichtspielhaus – nicht in einen Kinosaal oder in ein Filmtheater, in dem das Publikum im Dunkeln sitzt und das Geschehen auf der Leinwand verfolgt. In ein Lichtspielhaus, in dem wir musikalisch und visuell mit Licht und Schatten spielen; in dem wir in die Welt Federico Fellinis eintauchen; in dem sich die Filmbilder von der Leinwand lösen und Bilder, Gefühle und Personen größer werden als die Leinwand, auf die sie projiziert werden 

Das Spiel von Licht und Schatten, von Orchesterklang und musikalischer Farbe greifen wir auch in der Lichtkonzeption auf. Die unterschiedlichen Lichtstimmungen stehen in einer engen Beziehung mit den Farben, die von der Leinwand und aus dem Orchester in die Philharmonie hinein wirken. Orchestermusik, Filmbild und Licht sind eine Einheit. Sie ergänzen sich und bedingen einander.