RAPSODIA SATANICA

Nicht das Handlungsgeschehen ist für diesen Film zentral – darin einem Ballett oder einer Oper ähnlich und ganz unähnlich einem Spielfilm, wie wir ihn uns heute vorstellen -, sondern die Entfaltung berückender ästhetischer Effekte und einer experimentierenden Körperkunst der Diva Borelli. „In der Abfolge von Posen, Gesten und Blicken modulierten die italienischen Filmdiven ihre stummen Arien, jede mit dem ihr eigenen physischen Timbre. Lyda Borelli ist die Unwirklichste. Mehr bewegte Malerei als bewegte Photographie … oszilliert sie zwischen zwei vorformulierten erotischen Phantasmen der Dekadenz, der femme fatale und dem Androgyn; metallisch, gleissend, mit großen Gesichtszügen und muskulösem Hals, wirkt sie manchmal mächtig wie ein Transvestit …“ (Mariann Lewinsky) Ausstattung und Szenerien sind im Kontext ihrer Zeit modisch und avantgardistisch: die Bilderwelten des Jugendstils und des Symbolismus.

Die Cineteca di Bologna erweckte 2016 den Film mit einer 4K-Restaurierung zu neuem Leben.

Zur Musik: Kein Geringerer als Opernkomponist Pietro Mascagni schrieb 1914 die Musik zu dieser originellen Verfilmung der »Faust«-Sage. Auch Wagners »Tristan« stand Pate: Neben der Leitmotivtechnik bezeugt dies eine expressive, farbenreiche Harmonik, mit der Mascagni die Verflechtungen von Liebe und Tod illustriert. Dabei nimmt die Filmmusik auch eigenständige symphonische Formen an, die wiederum den Film zum illustrierenden Medium machen.
Die Musik hat nicht blosse Begleitfunktion, sondern greift gleichberechtigt ein: Den dritten Teil des Films liess Mascagni – neben Puccini damals der bedeutendste Opernkomponist Italiens – nach seinen musikalischen Vorstellungen neu drehen. (Quelle: Bayerischer Rundfunk)

Inhalt: Nach einem Ball fühlt Alba d’Oltrevita, eine betagte Aristokratin, die Unerbittlichkeit des Alters. Mephistopheles verspricht und gibt ihr Jugend und Schönheit unter der Bedingung, dass sie auf die Liebe verzichte. Im Glanz frischer Jugendschönheit feiert Alba üppige Feste. Sie wird von zwei Brüdern umworben. Während sie kalt den einen, Tristano, an sich zieht, erschiesst sich der andere. Mit dem Schuss, dem Anblick des toten jungen Mannes endet der Frühlingsrausch. Zurückgezogen in ihrem Schloss und seinen stillen herbstlichen Gärten verfällt Alba der ungebrochenen Macht der Liebe. Sie weiht sich ihr und damit der Vergänglichkeit, sie verschleiert sich als Braut Tristanos und geht dem Tod entgegen.