DIE FRAU, NACH DER MAN SICH SEHNT

Noch bevor Marlene Dietrich als Lola Lola in DER BLAUE ENGEL (1930) weltberühmt werden sollte, verkörpert sie in Kurt Bernhardts spätem Stummfilmmelodram den Rollentypus der Femme fatale. Bernhardt gelingt es auf subtile Weise, die geheimnisvolle erotische Aura der Figur mit all ihrer Ambivalenz einzufangen. Ihr Blick hat eine verführerische und zugleich verzweifelte Qualität. Beinahe wirkt sie wie ein Geist, der sich ganz dem Schicksal ergibt. Für Dietrich ist es die erste Hauptrolle. Mit fließenden Kamerabewegungen und Schnitten führtder Regisseur den Zuschauer durch die aufwändigen Kulissen.

Zur Musik: Pascal Schumachers Neukomposition zeichnet sich vor allem durch ihren Facettenreichtum aus. Als Vibraphonist bringt Schumacher mit zahlreichen Solopassagen eine ungewöhnliche Klangfarbe in die Partitur hinein, die sich jenseits der üblichen Stummfilmmusik bewegt. Neben jazzigen Passagen, die in spannender Korrespondenz zu den Klängen des Vibraphons stehen, durchziehen Schumachers Partitur auch minimalistische Klangansätze. Mit seiner stilistischen Vielfalt gelingt es Schumacher, die zahlreichen Zwischentöne und Ambivalenzen des Films auf filigrane Weise auszuleuchten.

Die Musik liegt in zwei Versionen vor: Als Fassung für kleines Orchester wird Schumacher die Musik mit dem WDR Rundfunkorchester einspielen, als Fassung für Ensemble mit United Instruments of Lucilin, Luxembourg.

Inhalt: Um die Industriellenfamilie Leblanc vor dem finanziellen Ruin zu retten, soll der Nachkomme Henri Leblanc (Uno Henning) die Tochter eines reichen Industriellen heiraten. Der Coup scheint perfekt, doch auf der Hochzeitsreise an die Riviera begegnet Leblanc im Zug der strahlend schönen Stascha (Marlene Dietrich). Augenblicklich ist Henri der geheimnisvollen Femme fatale willenlos verfallen. Stascha fleht Henri an, sie vor einem gewissen Dr. Karoff (Fritz Kortner) zu beschützen, an den sie durch ein gemeinsames Verbrechen gebunden ist. Hals über Kopf fasst Henri den Entschluss, Frau und Firma fallen zu lassen und stattdessen mit Stascha zu fliehen. Karoff, der ebenfalls Stascha hörig ist, wittert ihren Versuch, sich von ihm zu lösen, und droht ihr, sie und sich selbst bei der Polizei anzuzeigen. Es kommt zum Kampf zwischen den Rivalen, bei dem Henri von Karoff bewusstlos geschlagen wird. Als die Polizei eintrifft, um den gesuchten Mörder und seine Mitstreiterin zu verhaften, erschießt Karoff Stascha. Noch völlig benommen, verfolgt Henri ungläubig das Geschehen, als ob er aus einem fürchterlichen Traum erwache. Geläutert kehrt er schließlich in seine Heimat zurück, um seine Frau um Vergebung zu bitten.